24.09.1999 - 26.09.1999
Wie schon in der Ausschreibung stand, galt das Wochenende dem Entdecken einer Region, die geprägt ist von den Folgen massiven Braunkohleabbaus einerseits und uralter Verwurzelung innerhalb der kleinsten slawischen Minderheit andererseits. Von Insiderin, dort Aufgewachsener und Verwurzelter sowie „Neumitglied" Annett L. ausgedacht und organisiert, konnte man recht neugierig in dieses Wochenende gehen, zumal sich auch sonstige Apricus-Aktivitäten eher selten in diese Gegend verirr(t)en…
Während der Freitag sich noch in schönstem Sonnenschein gab und ein tolles Wochenende versprach, sollte das restliche Wochenende sich eher in Dauerregen hüllen, was leider auch einen Teil der angekündigten Höhepunkte sprichwörtlich ins Wasser fallen ließ. Doch zunächst trafen wir uns in kleiner Runde in Schwarzkollm, nahe Hoyerswerda, in einem Landschulheim und ließen den Abend bei den neuesten Neuigkeiten und Urlaubs- wie Sommererlebnissen ausklingen.
Der Sonnabend begann mit… Regen und ließ uns schon später als geplant starten - zum sorbischen Museum in Zeißholz. Dieses seit dem 14. Jahrhundert bestehende und gut erhaltene einstige Fachwerkwohnhaus mit Strohdach und kleinem Hof mit Stallungen wurde schon zu DDR-Zeiten von Engagierten vor dem Abriss gerettet, rekonstruiert und als Museum hergerichtet. Die gesammelten Utensilien jener Zeit, versehen mit Anekdoten, Geschichten und Wissenswertem des Museumsmachers wie -leiters seit Anbeginn, Herrn Robel, gewährten einen interessanten Einblick ins sorbische Leben von einst bis heute. Sogar ein Reiter samt Pferd bzw. eher deren Rüstung aus der Zeit der Kreuzzüge sollen dort gefunden worden sein. Ein sich anschließender Garten mit Geräten und kleinen Maschinen zur Kohleveredelung eines ehemaligen Braunkohlekraftwerks, welches sich ganz in der Nähe 90 Jahre lang befand, aber 1992 abgebaut wurde und sonst spurlos verschwunden wäre, ließen die damit verbundenen Arbeits- und Lebensinhalte der Bevölkerung dieser Region nachvollziehen und die teilweise Dramatik der Vorgänge der Gegenwart durch Schließungen erahnen. Weiter ging es zum Dubringer Moor. Der ehemalige Bürgermeister des Ortes Dubring führte uns durch dieses Feuchtgebiet mit seiner vielfältigen Flora und Fauna. Jenes Moor, welches das einzige Niedermoorgebiet in Mitteleuropa sein soll, ließ uns nicht „versumpfen", sondern erinnerte daran, dass es nur noch wenige davon gibt und jene durch Torfabbau und andere menschliche Eingriffe gefährdet sind. So gab es zu DDR-Zeiten Pläne dieses Moor abzubauen, um an die darunterliegende Kohle zu gelangen. Nur wieder einmal die „Wende" verhinderte die Umsetzung in die Tat... . Mit einem etwas mystisch-verklärten (dank auch des wolkenverhangenen, trüben Wetters) wie auch geistig-erhelltem Blick verließen wir das Terrain, um noch einen kurzen Abstecher zur Schowtschick-Mühle, einer alten, einst betriebenen, nun unter Denkmalschutz stehenden Fachwerkmühle mit Wasserrad, zu machen, um dann in die nächste wärmende, trocknende, stärkende Kneipe namens „Wilddiebschänke" zu flüchten, in welcher es allerdings wenig Wärme und noch weniger Essen gab und uns nur noch der Pizzaservice des nächsten Ortes vorm Wildern bzw. „Verhungern" bewahrte, was der Wirt mit einem Lächeln hinnahm…
Wegen des anhaltenden Regens konnten wir nicht mehr zum Kloster Panschwitz-Kuckau aufbrechen und traten eher den Rückweg an. Zunächst führte uns die Fahrt zu einer erstaunlich karg gehaltenen, katholischen Wallfahrtskirche in Rosenthal, in deren Nähe es auch einen „Jungbrunnen" gab, dessen Quellwasser verjüngen und verschönen soll(te) - wie die Legende es wissen möchte. Ein kräftiger Schluck davon - zusammen mit einem Stück Glauben daran - ließen uns gleich ein wenig jünger fühlen und beschwingter weiterfahren zum... europaweit einzigartigen Friedhof in Ralbitz, dessen weiße, einheitlich-gestalteten Kreuze auf allen Gräbern die Gleichheit aller Menschen im Tod bzw. vor Gott, ob nun Bettler oder Edelmann, Putzfrau oder Königin symbolisieren sollte.
Auch die stark katholische Prägung dieser Region konnten wir insbesondere bei der Fahrt durch die Orte Sollschwitz und Wittichenau spüren, wo Kruzifixe und Kreuze jeder Größe in fast jedem Vorgarten und auf fast jedem freien Platz zu finden waren. Der Abend dieses Tages verging beim gemütlichen Beisammensein.
Am Sonntag begaben wir uns noch zu einem der vier ehemaligem Tagebaue um Hoyerswerda, der gerade geflutet wurde und schon teilweise mit Wasser gefüllt war. Um Hoyerswerda soll einmal aus diesen ehemaligen Tagebauen eine Kleinseenplatte à la Mecklenburg entstehen und touristisch anziehend wirken. Momentan wirkte der fast leere, riesige Tagebau eher wie eine Mondlandschaft. Und, noch ein ehemaliges Symbol für diese Region - allerdings in menschlicher Gestalt - wollten wir besuchen: das Grab des vor einem Jahr verstorbenen Liedermachers Gerhard Gundermann, welcher selbst im Tagebau arbeitete, in der Region lebte und dessen Lieder den Alltag, die Sorgen und Freuden und die Mentalität der Menschen dort widerspiegelten. Sein Grab hob sich von anderen ab, war zeitlos (nur mit ..Gundi" und sonst keinerlei Daten versehen) und mit einem umgestalteten Granitstein „seines" Tagebaus beschwert und geschmückt mit Sonnenblumen, Federn, Muscheln, Steinen, Ketten, einer Songzeile auf einem kleinen Stein…
Eine kleine Rundtour durch Hoywoy beendete das Wochenende. Eine neu gestaltete Altstadt und eine fast leere Neustadt zwischen Abrissbauten und modernen Gebäuden ließen das ursprüngliche, ehemalige Gesicht von Hoyerswerda vor dem Hintergrund äußerer wie regionaler Veränderungen kaum noch erkennen.
Tja, ein Wochenende mit Widersprüchen und trotzdem oder gerade deshalb mit Lust auf mehr - vielleicht im nächsten Jahr?!?
Anke Meißner